Direkt am historischen Markplatz steht die „Alte Bürgermeisterei“ von 1584. Heute beherbergt das Baudenkmal das Stadtgeschichtshaus. Auf drei Etagen erfahren die Besucher Wissenswertes über die mehr als 1100-jährige Stadtgeschichte. Nach Voranmeldung können Sie in der guten Stube des Bürger- und Heimatvereins „Aule Mettmanner“ eine traditionelle Bergische Kaffeetafel genießen und Brautleute können in heimeliger Atmosphäre im Biedermeyer-Zimmer den Bund fürs Leben schließen.
Es war in den späten 1960er Jahren, als sich eine illustre Runde alter Mettmanner beim Schoppen Wein im Moselstübchen traf. Die Gaststätte war sehr beliebt, um dort über das Stadtgeschehen zu schwafeln und zu fabulieren. Man kam schnell auf das Haus Mittelstraße 10 zu sprechen. Schließlich ist es eines der geschichtsträchtigsten Häuser in Mettmann.
Nach der unsäglichen Zeit des Dritten Reiches, als das Haus im Besitz der Nationalsozialisten war, wohnten dort verschiedene Mieter. Die Stadt suchte nun nach einer adäquaten Nutzung. Im Gespräch war ein „Haus der Jugend“ sowie die Unterbringung des Schiedsmannes und des Stadtarchivs.
Der gesellige Stammtisch im Moselstübchen ließ sich über das Vorhaben mehr oder weniger despektierlich aus. Den Schiedsmann dort unterzubringen, fand man noch gerade in Ordnung. Metzmachers Haus, wie es – nach ihren Erbauern – Jahrhunderte lang aufgrund fehlender Hausnummern hieß, war immer wieder Sitz der Schöffen gewesen. „Das Stadtarchiv würde auch passen,“ lachten die alten Herren, „im Mansardenzimmer lägen noch so viele verstaubte Akten und Papiere aus der Zeit, als das Haus noch Bürgermeisterei war.“
„Also, was das Haus alles erzählen würde, wenn es denn nur sprechen könnte“, vernahm man von den Weinseligen, aber das übernahmen sie ja mittlerweile gerne selbst. Die Uhr schlug mittlerweile halb Neun. „Als 1583 wegen Einführung des gregorianischen Kalenders 11 Tage gestrichen werden mussten, fielen Weihnachten und Neujahr auf einen Tag!“, strunzte Einer mit seinem Wissen. „Ein paar Jahre später heiratete ein Kölner Erzbischof eine Stiftsdame aus Gerresheim.“ „Im Düsseldorfer Schlossturm wurde die Frau des Herzogs erwürgt aufgefunden.“
Was das denn alles mit Metzmachers Haus zu tun hätte, fragte schließlich einer der Beteiligten. Man schwenkte um: „Heinrich Haugh, der Diakon der damals neuen reformierten Gemeinde in Mettmann, bewohnte das Haus und hatte so manche Streitigkeiten mit den Katholiken auszufechten, mit denen man sich damals St. Lambertus für die Gottesdienste teilte.“ „Später wurde er zudem Bürgermeister und musste während des 30-jährigen Kriegs, als schwedische und hessische Truppen marodierend durch Mettmann zogen, Abgaben auflisten und verwalten.“ „In dem Haus wurde auch mal eine große Synode mit 45 Pastoren abgehalten“.
Bei all’ den Anekdötchen wurde es mit der Chronologie nicht so genau genommen, blutrünstig musste es sein: „Der großen Pest fiel auch Wilhelm Haughs Frau zum Opfer, obwohl er dreimal hintereinander Schützenkönig war.“ „Fiel da nicht auch mal ein hessischer Soldat mit einem Messer in der Brust aus dem Fenster?“ „Vor allem fiel 1945 Hitlers überdimensionierte vergoldete Gipsbüste aus dem Fenster.“ Es wurde zustimmend genickt und sogleich die nächste Runde Wein bestellt.
Doch Einer wusste plötzlich ein scheinbares Geheimnis zu berichten. Der Alte tat es im Flüsterton und alle steckten die Köpfe zusammen: „Wusstet ihr, dass unter dem Weinkeller des Hauses eine alte Weinflasche aus dem Mittelalter ruht? Was die jetzt wohl wert ist?“
Dass sich in dem Haus Überreste eines alten Turms befanden, den früher viele bedeutsame Häuser hatten, wusste man seit einiger Zeit. Aber wo solle sich denn diese Flasche befinden? „In dem alten Brunnen unter dem Haus.“ Früher baute man die Gehöfte gerne über Wasserstellen, noch heute kann man im Flur die alte Pumpe sehen. „Aber seit 1899 gibt es doch Wasserleitungen in dem Haus und der alte Brunnen wurde ab da doch gar nicht mehr benutzt“, konterte ein Ungläubiger.
Unter vermehrtem Weingenuss wurde ab jetzt nur noch über das Alter der Flasche spekuliert. Schließlich war das Haus mehrfach Herberge – kriegsbedingt für Soldaten, für kaiserliche Kommissare und auch Wirte wohnten dort. „Richtig, im 18. Jahrhundert wurde dort doch immer der Kirmeswein gelagert.“ „Und die Frau des Hauses war eine geborene Weinhaus. Tja, nomen est omen…“ schmunzelte die Runde vor sich hin. Oder könne es gar sein, dass jene Flasche sinngemäß als „Grundsteinlegung“ der honorigen „Gesellschaft Verein zu Mettmann“ diente, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts mangels Örtlichkeit in der Mittelstraße gründete? Die Turmuhr schlug Mitternacht.
Nein, da war man sich fast einig, dass besagte Weinflasche höchstwahrscheinlich aus der Zeit der französischen Besatzung von den ungeliebten Nachbarn mitgebracht wurde. Zudem wurde ja 1804 aufgrund des Code Napoleon der in unmittelbarer Nähe befindliche Friedhof aus hygienischen Gründen verlegt. „Somit hätte ja der Korken der tief im Brunnen versenkten Weinflasche reichlich Leichenwasser aus dem Grundwasser gezogen.“ Einige Stammtischler zogen es bei diesem Gedanken vor, mit dem nächsten Schluck aus ihren Weingläsern zu warten.
Doch der Alte, der das Gerücht der mittelalterlichen Flasche aufgebracht hatte, ließ sich nicht von seiner exklusiven Information abbringen. Bis der Wirt des Moselstübchens, der den wilden Spekulationen interessiert zuhörte und nun zur letzten Bestellung mahnte, ganz beiläufig zu bedenken gab: „Übrigens, Wein in Flaschen war erst ab dem 18. Jahrhundert verbreitet, vorher gab es Wein nur in Tierhäuten oder Fässern.“
Die schon gut abgefüllten Herren beschlossen, über die vielen Geschichten, die sich rund um Metzmachers Haus ranken, beim nächsten Wein-Treffen zu beratschlagen. In vino veritas.
Autor: Ingo Grenzstein
Bild:
Stadtgeschichtshaus
Mittelstraße 10